Donnerstag, 09. Mai 2024
Ines und Antonia erzählen von der weißen Taube
An einem Nachmittag im März ging ich an der Elde spazieren. Wir befanden uns mitten in der Corona Zeit und bis auf Spaziergänge konnte man damals nicht allzu viel unternehmen. Ich fand eine kleine Sitzbank aus Holz, die wie ein perfekter Ort für eine Pause aussah und ich nahm Platz.
Während ich dort saß und alles auf mich wirken ließ, geschah etwas Unerwartetes. Eine weiße Taube stand plötzlich vor mir auf dem Tisch. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Um ihren Körper war etwas Schwarzes gewickelt, das sie in ihrer Bewegungsfreiheit stark einzuschränken schien. Besonders beunruhigend war ein Band, das sich auch um ihren Hals legte. Es war offensichtlich, dass die Taube in Not war.
Ich konnte nicht genau erkennen, was es war, aber es schien die Taube einzuschnüren und ihr großes Unbehagen zu bereiten. Ich schaute die Taube an und sagte: „Warte hier auf mich, ich werde zurückkommen und dir helfen.“ Mit diesen Worten lief ich los, um meine Mutter zu holen, die nicht allzu weit entfernt war.
Als wir zurückkehrten, fanden wir die Taube immer noch wartend auf dem Tisch. Trotz unserer Bemühungen konnten wir sie nicht aus dem schwarzen Stoff befreien – es war zu fest verwoben. Wir holten eine Schere und vorsichtig schnitten wir das Material auf, ohne die Taube zu verletzen. Zu unserem Entsetzen stellten wir fest, dass es sich um eine FFP2-Maske handelte; die Schlaufen hatten sich um den Körper der Taube gewickelt und sie gefangen gehalten.
Nachdem wir das letzte Stück der Maske entfernt hatten, öffneten wir unsere Hände und ließen die Taube frei. Sie flatterte davon und setzte sich auf ein nahegelegenes Dach. Dort blieb sie lange sitzen und beobachtete uns still – als würde sie sich bedanken oder einfach nur den Moment genießen, wieder frei zu sein.
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